Warum nach Paraguay fahren? Laut unserem Reiseführer ist Paraguay die ideale Möglichkeit, Erfahrungen jenseits des Gringo-Trails zu sammeln und das echte, authentische Lateinamerika zu erleben. Natürlich möchte ich jenseits des Gringo-Trails reisen. Schließlich verstehe ich mich als echte Travellerin mit Mikrofaserhandtüchern, einer mobilen Wäscheleine und Antiinsektenspray im Gepäck. Und dennoch. In Paraguay wäre ich wohl nie gelandet, hätte mein Mann nicht paraguayische Wurzeln.
Paraguay ist ein Land der Kontraste. Es ist arm und reich. Es ist grün und extrem karg. Es ist alt. Und neu. Und es ist vor allen Dingen anders. Anders als alle Orte, an denen ich bisher war. Wir, das heißt meine beiden Reisegefährten und ich, wechselten die Grenze am Grenzübergang zwischen Foz de Iguacu (Brasilen) und Ciudad del Este (Paraguay). Retrospektiv kann ich sagen, dass ich nicht vorbereitet war. Während Foz de Iguacu sich anfühlt wie eine aufgeräumte, mittelhessische Kleinstadt, eilt Ciudad del Este der Ruf der gefährlichsten paraguayischen Stadt voraus. Aus meinen Reiseerfahrungen in Brasilien war ich allerdings gewohnt, dass "Gefahr" und äußerer Anschein wenig miteinander zu tun haben. Schließlich bietet auch die Copacabana jede Menge Sonnenschein und eine der schönsten Aussichten dieser Welt.
Da sich unser Aufenthalt in Ciudad del Este auf 30 Minuten im Busbahnhof beschränkte, kann ich nicht sagen, wie gefährlich oder ungefährlich das Leben in dieser Stadt tatsächlich sein mag. Die weinenden, obdachlosen Kinder auf einer alten Matratze vor dem Bahnhof haben sich jedoch fest in meine Erinnerung gebrannt. Sie waren meine erste Begegnung mit dieser speziellen, existenziellen Armut, die einen nicht mehr loslässt.
Während wir in einem Überlandbus durch das Land der roten Erde schaukelten, beobachtete ich die Landschaft und die vorbeiziehenden Gebäude. Keines der Häuser war intakt. Vielmehr war alles vom Zerfall bedroht. Ich ertappte mich dabei, wie ich meine Reisegepäck gedanklich nach Sekundenkleber durchsuchte. Es schien mir, als ob man den in Paraguay dringend gebrauchen könnte. Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, ist, dass Paraguay nicht mit den Maßstäben bewertet werden kann, mit denen ich groß geworden bin. Es ist offensichtlich, dass in Paraguay nur Weniges wirklich reibungslos funktioniert. Weniger offensichtlich - dafür aber nicht weniger wahr - ist die Tatsache, dass die Paraguayer auf diese Dysfunktionalität mit einer beeindruckenden Gelassenheit und mit intelligentem Erfindungsreichtum reagieren. Um ein kaputtes Auto zu reparieren, braucht es keine Mercedes-Benz-Werkstatt. Sondern ein Wasserbecken, Youtube und Geduld.
Wir verbrachten eine tolle Woche in Asunción. Dank den Tipps der Familie meines Mannes bewegten wir uns schnell mit Sicherheit und Ruhe. Wir schoben uns als einzige Touristen durch die engen Gassen des Mercado Cuatro, spazierten durch die Innenstadt und verputzten hervorragendes Essen im Lido, Café de Acá und im Bolsi. Wir fuhren Bus - dicht gedrängt und stehend hielten wir uns über eine Stunde an unseren Nebenmann fest. Als ich meinen Schwager fragte, ob er denn glücklich sei, hier in Asunción, sah er mich mit einem gewissen Erstaunen an. Natürlich, sagte er. Einiges sei verbesserungswürdig, das sei nichts Neues, aber alles in allem sei er sehr zufrieden. An meinem ersten Tag in Paraguay hätte ich diesen Satz niemandem geglaubt. Umso länger ich blieb, desto mehr verstand ich.
Nach einigen Tagen in Asunción machten wir uns mit zwei jungen Biologen auf, um auf einer Safari im Chaco Seco Jaguare zu beobachten. Diese Reise brachte uns alle an unsere Grenzen. 22 Stunden eingeklemmt in einem voll gepackten Jeep, ohne Klimanalage, ohne Beinfreiheit und ohne Straße, war nicht so, wie wir uns die Anreise an die bolivianische Grenze so vorgestellt hatten. Aber das Schlimmste stand uns noch bevor. Unsere Herberge im Naturschutzgebiet war seit Wochen nicht mehr bewohnt worden. Nach den letzten Gästen hatte der Ranger niemals aufgeräumt. Vor uns tat sich, übermüdet und hungrig wie wir waren, eine Insektenhölle auf. Zecken, Skorpione, Moskitos, Wanzen oder auch Taranteln. Lebendig oder tot. Alles vorhanden. Wir kämpften uns durch. Breiteten unsere Moskitonetze aus, sprühten Insektizde und tapsten auf Zehenspitzen ins Bad. Jeden Morgen und Abend machten wir uns auf, um an einem Tümpel in einem mit Ästen verkleideten Jeep auf den Jaguar zu warten, der letzten Endes niemals kam. Kurz vor unserer Ankunft hatte es geregnet und die Jaguare hatten sich aufgemacht, um an einem anderen Tümpel ihr Revier zu markieren.
Wir waren vier Tage jenseits der Zivilisation, ohne Handy und Internet, in der trockenen Savanne. Wir lernten die Natur zu respektieren, zu flüstern, geduldig zu warten, Tierspuren zu lesen und über offenem Feuer gekochtes Essen zu genießen. Und vor allen Dingen lernten wir viel über die Natur in Paraguay, ihre Vielfalt und ihre Bedrohung.
Als ich vor wenigen Wochen auf diesen Bericht über eine Flussfahrt in Paraguay stieß, schloss ich Frieden mit unserer Safari. Naturerfahrungen und Expeditionen in Paraguay sind besonders. Sie bestechen nicht durch Komfort, europäische Standards und Erholung. Sondern mit Reiseerlebnissen way off the Gringo-trail, in einem Land, das sich langsam aus dem Schatten der Diktatur befreit.
7 Dinge, die man in Paraguay getan haben sollte
- Empanadas essen
- In den Chaco fahren
- Im Café de Acá einen Zitronentarte essen
- Über den Mercado Cuatro spazieren (am besten an einem regnerischen Tag)
- Lomito-Burger essen
- Terere trinken
- Durch das Zentrum von Asunción spazieren
Tips für Food
Der schattige Garten und die leckeren Köstlichkeiten machen den Besuch im Café de Acá unvergessen. Unbedingt zu empfehlen.
Die traditionsreiche Lido Bar im Zentrum von Asunción ist die Must-Go-To-Adresse für Kroketten, Empanadas und Co. 50er-Jahre-Feeling garantiert. Chile Ecke Palma.
Die Confitería Bolsi - ebenfalls im Zentrum von Asunción - lässt in Bezug auf süße Köstlichkeiten und kleine Snacks keine Wünsche offen. Estrella 399.
Der Parador Pirahu auf dem Kilometer 249 des Transchaco servierte die besten Empanadas unserer Lateinamerikareise. Auf einem Trip in oder aus dem Chaco kann am Wegesrand nichts Besseres passieren.